Skip to main content

Spät ins Bett = früher tot? Forschung über Chronotyp & Nachteulen

Chronotyp: Bedeutung für Gesundheit und Lebensstil

Ob Frühaufsteher oder Nachtmensch – jeder Mensch folgt einem individuellen biologischen Rhythmus, dem sogenannten Chronotyp. Dabei lassen sich grob zwei Gruppen unterscheiden: Lerchen, die morgens aktiv und abends früh müde sind, sowie Eulen, die spät aktiv werden und entsprechend später ins Bett gehen. Diese Unterschiede sind genetisch mitbedingt und in der Schlafforschung gut dokumentiert. Doch Nachtmenschen leben oft nicht nur gegen den gesellschaftlichen Tagesrhythmus, sondern auch gegen ihre eigene Gesundheit. Studien zeigen, dass sie häufiger unter psychischen und körperlichen Erkrankungen leiden. Zudem konsumieren sie überdurchschnittlich oft Alkohol, Nikotin, Koffein und Fastfood – und sind statistisch öfter übergewichtig.

Chronotyp Nachteule
Laut Forschung sterben Menschen vom Chronotyp Nachteule statistisch gesehen geringfügig früher. Allerdings ist der Lebensstil dieser Gruppe ausschlaggebender als der Schlafrhythmus selbst.

Erhöhte Sterblichkeit bei Nachtmenschen – eine Frage des Lebensstils?

Eine groß angelegte Kohortenstudie aus dem Jahr 2018, durchgeführt von US-amerikanischen und britischen Wissenschaftlern, belegte einen Zusammenhang zwischen später Bettgehzeit und einer geringfügig niedrigeren Lebenserwartung. Besonders auffällig war dabei das gehäufte Auftreten von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, die mit einem erhöhten Sterberisiko einhergehen. Diese Daten gaben Anlass zur weiteren Untersuchung der Frage, ob der Chronotyp selbst das Risiko beeinflusst – oder ob es vielmehr andere Faktoren sind, die mit einem nachtaktiven Lebensstil einhergehen.

Zwillingsstudie aus Finnland liefert differenzierte Einblicke

Die finnischen Forscher Christer Hublin und Jaakko Kaprio untersuchten in einer Langzeit-Zwillingsstudie, ob der Chronotyp einen kausalen Einfluss auf die Sterblichkeit hat. Dazu analysierten sie die Gesundheitsdaten von knapp 23.000 Männern und Frauen, die zwischen 1981 und 2018 regelmäßig erfasst wurden. Die Teilnehmer gaben zu Beginn an, ob sie sich als Frühaufsteher oder Nachtmenschen einstufen würden. Ein Drittel sah sich als „eher nachtaktiv“, knapp 10 % als eindeutige Nachteulen, während fast 30 % sich als ausgesprochene Frühaufsteher bezeichneten.

Einflussfaktor Lebensstil: Alkohol, Nikotin und Schlafdauer

Die Ergebnisse der finnischen Studie zeigen: Nachtmenschen konsumieren häufiger Alkohol und Nikotin und schlafen im Durchschnitt kürzer. Auch Alter und Bildungsstand spielten eine Rolle – Eulen waren im Schnitt jünger. Die Forscher stellten eine klare Korrelation zwischen einem ausgeprägten abendlichen Aktivitätsmuster und einem verstärkten Konsumverhalten fest. Das Belohnungssystem im Gehirn scheint stärker auf abendliche Reize anzusprechen, was eine verstärkte Neigung zu stimulierenden Substanzen wie Alkohol und Tabak begünstigt. Besonders ausgeprägt war dieses Verhalten bei denjenigen, die sich selbst als eindeutig nachtaktiv beschrieben.

Chronotyp allein kein signifikanter Risikofaktor

Im Verlauf der Studie verstarben etwa 8800 der Teilnehmenden. Die Gesamtanalyse ergab, dass Nachteulen ein um neun Prozent höheres Sterberisiko hatten als Frühaufsteher. Doch bei genauerer Betrachtung zeigte sich: Dieser Unterschied ließ sich nahezu vollständig durch den Lebensstil erklären. Alkohol- und Tabakkonsum erwiesen sich als Hauptursachen für die erhöhte Sterblichkeit. Der Chronotyp selbst hatte laut den Forschern keinen nennenswerten Einfluss auf die Lebenserwartung – vorausgesetzt, die Person lebte insgesamt gesund. Nichtraucher und Menschen mit moderatem Alkoholkonsum zeigten unabhängig vom Schlafrhythmus kein erhöhtes Risiko.

Fazit: Spät schlafen ist nicht automatisch ungesund – der Lebensstil entscheidet

Menschen mit einem späten Schlafrhythmus haben laut aktueller Forschung keine grundsätzlich niedrigere Lebenserwartung. Entscheidend sind vielmehr Lebensgewohnheiten wie Alkohol- und Tabakkonsum sowie die Schlafqualität. Der individuelle Chronotyp erklärt allein nicht die gesundheitlichen Unterschiede zwischen Frühaufstehern und Nachtmenschen. Wer auf eine gesunde Lebensweise achtet, kann auch als Nachteule ohne zusätzliches Risiko leben. Die Studienlage zeigt, dass gesunde Gewohnheiten wichtiger sind als die Uhrzeit des Zubettgehens. Daher lohnt es sich, unabhängig vom Chronotyp auf ausreichend Schlaf, ausgewogene Ernährung und einen maßvollen Konsum von Genussmitteln zu achten.

Quelle: American Journal of Epidemiology, 2018 PLOS ONE, 2023 (Zwillingsstudie)